WetterOnline ( https://www.wetteronline.at )

Wetterthemen im Fokus

Winter 1978/79 - Spezial

Augenzeugenbericht Teil 1

Mit dem Zug in den Schneesturm

Lüneburger Heide am 29.12.1978 um 7 Uhr: Regentröpfchen kriechen wie Perlenschnüre am Abteilfenster entlang. Es ist feucht und 10 Grad mild, als der Zug durch den ersten matten Schimmer der Morgendämmerung in Richtung Hamburg rollt.

Leise mischt sich ein neues Geräusch, ein feines Zirpen unter das monotone Stampfen der Räder. Erst denke ich an eine Täuschung, aber das eigentümliche Geräusch wird immer stärker und schwillt zu einem scharfen, unüberhörbaren Knistern an. Abrupt vermindert der Zug das Tempo. Im gleichen Augenblick bemerke ich, dass das Knistern vom Fenster kommt und traue kaum meinen Augen:

Das eben noch klare, dunkle Glas ist von einer Art milchigem Gelee überzogen, das in bizarren Lichtmustern funkelt! Erst nach einem Moment des ungläubigen Staunens wird mir bewusst, dass die Außenseite des Fensters vor meinen Augen gerade gefriert! Heftig trommeln Regentropfen und Eiskörner gegen die erstarrende Masse und überziehen die Scheibe mit einem dicken, immer undurchsichtigeren Eispanzer.

Durch das freie Fenster im Gang sehe ich im Lichtschein eines vorbeihuschenden Bahnhofs Eiskörner und Schneeflocken in stoßartigen Böen über den schon eisverkrusteten Bahnsteig fegen! Wenig später verschluckt dichtes Schneetreiben alle Konturen! Als der Zug kurz darauf den Hamburger Bahnhof erreicht, haben sich im Kopfbereich der überdachten Halle bereits Schneewehen von über 20 Zentimeter Höhe gebildet. Bei minus 4 Grad tobt ein eisiger Schneesturm!

Insel Sylt am 29.12.1978 um 18:30 Uhr abends:

Die Temperatur ist auf minus 8 Grad gefallen und der Sturm tobt mit Windstärke 8. In wuchtigen Böen bis Stärke 10 fühlt sich das wie eisige minus 30 Grad an. Zehn Stunden lang hatte sich der "Westerland-Express" durch die tosende Schneewüste gekämpft und die Insel Sylt erst mit fünf Stunden Verspätung erreicht. Vom Bahnhof aus ging es per Bus sechs Kilometer weit durch den tobenden Sturm, die letzten 500 Meter bis zur rettenden Jugendherberge müssen wir zu Fuß gehen. Mit brutaler Gewalt schlägt uns die eisige Kälte entgegen.

Der schmale Fußweg durch die Dünen fordert uns die letzte Willenskraft ab: Schritt für Schritt stemmen wir uns dem Sturm entgegen, um nicht von den heftigsten Böen einfach umgeweht zu werden. Messerscharf peitschen uns Schneekristalle wie Nadelstiche schmerzhaft in Gesicht und Augen. Immer wieder raubt uns der Sturm den Atem, so dass wir uns zum Luft holen gegen den Wind drehen müssen. Jeder Schritt ist eine Qual, wir versinken knietief im Schnee und kommen in dieser Wüste aus umher wirbeldem Eis immer wieder vom Weg ab.

Lesen Sie im nächsten Teil weiter: "Gefangen in Eis und Schnee"

Link zu dieser Seite / Seite empfehlen

Das Wetter in ...