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Tornado - Spezial

Tornados in Europa

Gefahr auch ohne Superzellen

Während sich Tornados in den USA aufgrund der dort vorherrschenden Konvektions- Klimatologie größtenteils aus so genannten Mesozyklonen (Superzellen) entwickeln, dominiert in Europa ein nicht superzelliger Entstehungsmechanismus. Zwar bilden sich auch diesseits des großen Teichs Superzellen-Tornados, die mitunter ebenso verheerende Intensitäten erreichen können wie in den USA.

Häufiger sind jedoch Tornados, die aus Schauerzellen hervorgehen, in denen sich nicht der gesamte Aufwindbereich in Rotation befindet. Vielmehr wird die Auslösung dieses Tornadotyps durch das Zusammenspiel horizontaler Windrichtungsscherung mit orografischen Effekten angestoßen. Windrichtungsscherung bedeutet, dass der Wind auf engstem Raum aus unterschiedlichen Richtungen weht.

Bildquelle: Jim Bishop & Reed Timmer (www.stormgasm.com)

Die für jeden Tornado notwendige Wirbelrotation wird dabei nach der gängigsten Theorie von bodennah entgegengesetzt wehenden Winden entlang ihrer Grenzfläche in Gang gesetzt. Dabei hebt die Konvektion einer Schauerwolke nicht einen horizontalen Wirbel wie bei der Entwicklung von Superzellentornados, sondern nimmt vielmehr einen bereits vertikal organisierten Wirbel in ihren Aufwindbereich auf. Auch kleinräumige Windeffekte über stark gegliedertem Gelände können die Bildung derartiger vertikaler Rotationsimpulse unterstützen oder sogar maßgeblich anstoßen. Entscheidend ist allein, dass sich eine schlauchförmige Luftsäule bildet, die um eine vertikale Drehachse rotiert.

Wird eine solche Luftsäule vom Aufwind einer vorüberziehenden Cumuluswolke erfasst, vollziehen sich die gleichen physikalischen Vorgänge wie bei einem Superzellen-Tornado. Die rotierende Luftsäule wird vom Aufwind in die Länge gezogen, also stark gestreckt, wodurch die Rotationsröhre immer enger wird und dadurch immer schneller rotiert.

Hier greift das gleiche Prinzip, dessen sich eine Eiskunstläuferin bedient, indem sie allein durch enges Anlegen der Arme an den Körper die Drehgeschwindigkeit ihrer Pirouette markant erhöht. In der Atmosphäre führt dieser Vorgang zur Beschleunigung des vertikalen Luftwirbels, bis der in der Luft enthaltene Wasserdampf im Zusammenspiel mit energetischen Prozessen zur Kondensation gelangt und der typische Tornadorüssel sichtbar wird.

Entstehungsprinzip nicht-superzelliger Tornados

Bildquelle: Bernold Feuerstein

Solche Schauerwolken-Tornados entfalten in der Regel zwar nicht die enorme Zerstörungskraft ihrer superzellenbasierten Artgenossen, weil der Aufwindbereich "normaler" Schauerwolken in der Regel schwächer ist, als derjenige energiereicher Mesozyklonen. Für Tornados der Stärken F0 bis F2 reicht das zur Verfügung stehende Energiepotenzial jedoch aus und in seltenen Fällen kann aus einem solchen Schauer durchaus auch einmal ein F3-Tornado hervorgehen. Die Bildung von Tornados der Stärken F4 und F5 sind allerdings auch in Europa allein dem machtvollen Anstoß durch Superzellen vorbehalten.

Wichtig zur Ingangsetzung und Aufrechterhaltung von Schauertornados ist neben einer Konvergenz mit ausgeprägter Windrichtungsscherung auch das Vorhandensein von großer Labilität und viel Feuchtigkeit in den unteren 3 Kilometern der Atmosphäre. Unter Labilität versteht man die Aufstiegsbereitschaft warmer Luftpakete in kältere Luftschichten in der Höhe. Bei diesem Aufsteigen werden große Energiemengen bereitgestellt und können in die Tornadobildungsprozesse mit einbezogen werden.

Auch die Entstehung besonderer Arten von Tornados, wie z.B. die spätsommerlichen Wasserhosen über Nord- und Ostsee oder größeren Binnenseen, sind vom Vorhandensein dieser Grundvoraussetzungen abhängig, ohne die sich übrigens auch in den USA kein Tornado entwickeln könnte.

Tornado über dem Meer: Die Wasserhose

Bildquelle: Th. Walther

Die Tornadoklimatologie ist auch von der modernen Meteorologie immer noch nicht vollständig verstanden. Die an dieser Stelle sowie auch in unserem Spezial "Superzellentornados" vorgestellten Erklärungen kennzeichnen zwar derzeit die gängigsten und wahrscheinlichsten Entstehungstheorien, in Detailfragen steckt das meteorologische Verständnis dieser gefährlichsten aller Wirbelstürme jedoch noch in den Kinderschuhen und verschiedene Lösungsvorschläge werden von Wissenschaftlern immer noch kontrovers diskutiert. Fest steht, dass die Ursachen dieses extreme Zerstörungskräfte entfaltenden Wetterphänomens schon im Interesse der Gefahrenabwehr auf jeden Fall weiterer, intensiver Forschung bedürfen.

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