WetterOnline ( https://www.wetteronline.de )
Startseite / WetterNews / Unwetter /

Jahrestag: Flutkatastrophe im Ahrtal - Wetterextremereignis oder Klimawandel?

06:39
15. Juli 2022

Wetter oder Klimawandel?
Jahrestag: Flut in Westdeutschland

Am 14. und 15. Juli 2021 haben heftige Regenfälle eine historische Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands ausgelöst. Doch wie kam es zur Flut und welchen Einfluss hatte der Klimawandel?

Zum ersten Jahrestag der Ahrflut im Westen Deutschlands blicken wir auf die Wetterlage zurück und erklären, welche Faktoren zu dem verheerenden Hochwasser geführt haben. Der extreme Starkregen wurde bereits Tage zuvor gut vorhergesagt und trotzdem gab es sehr viele Todesopfer.

Wie kam es zu der extremen Wetterlage?

Auslöser war Tief BERND, das sich ab dem 13. Juli vom Golf von Genua nach Mitteleuropa schob. Das Tief führte warme und feuchte Luft vom Mittelmeer über den Balkan nordwärts. Anschließend wurde die Luft weiter über Polen und über die südliche Ostsee nach Deutschland gelenkt.

Dabei konnte die Luftmasse aus dem überdurchschnittlich warmen Ostseewasser weitere Feuchtigkeit aufnehmen. Im Westen Deutschlands traf nun die energiegeladene auf kühlere und damit schwerere Luft. "Zutat" Nummer eins für die Unwetterlage war also die feuchtwarme Luft.

Der zweite Faktor war eine sogenannte blockierende Wetterlage. Tief BERND war umzingelt von Hochdruckgebieten und kam kaum von der Stelle. Somit brachte es zunächst im Westen und im Verlauf auch im Osten und Süden des Landes kräftigen Starkregen.

Eine Blockadewetterlage entsteht dann, wenn der Jetstream stark mäandriert. Das passiert im Sommer nicht selten. Zuletzt sind solche blockierenden Wetterlagen aber häufiger geworden. Zudem trug die Geografie der Eifel dazu bei, dass sich die aus Nordosten kommenden Niederschläge am Nordrand des Mittelgebirges noch einmal verstärkten, da die Luft zum Aufsteigen gezwungen wurde.

Wo fiel der meiste Regen?

Die größten Regenmengen fielen etwa zwischen Köln und der Eifel. Innerhalb weniger Stunden beziehungsweise Tage fiel an einigen Orten das Doppelte des mittleren Juliniederschlags.

Katastrophe in der Eifel

+ 7

Es wurde zwar kein deutschlandweiter Niederschlagsrekord aufgestellt, für die genannte Region stellten die Regenmengen klimatologisch gesehen allerdings mindestens ein Jahrhundertereignis dar. Das bedeutet, dass so starker Regen im Schnitt nur alle 100 Jahre oder sogar noch seltener auftritt. Im Gegenzug bedeutet dies dennoch nicht, dass so ein Ereignis innerhalb der nächsten Zeit ausgeschlossen ist.

Maximale Regenmengen vom 13. bis 15. Juli 2021:

StadtRegenmengen und Zeitraum
Hagen-Holthausen (NRW)241 l/m² in 22 h
Marlsburg-Marzell (BW)172 l/m² in 72 h
Köln-Stammheim (NRW)170 l/m² in 48 h
Wipperfürth (NRW)168 l/m² in 48 h
Kall-Sistig (NRW)166 l/m² in 48 h

Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Ein Hochwasserereignis ist zunächst einmal auf extreme Wetterlagen zurückzuführen, wie es sie auch in der Vergangenheit immer wieder gab. Im Ahrtal sind beispielsweise ähnliche Hochwasserereignisse mit zerstörerischen Folgen aus den vergangenen Jahrhunderten bekannt.

Im Bereich der Attributionsforschung beschäftigen sich Wissenschaftler allerdings seit einigen Jahren mit dem möglichen Einfluss des Klimawandels auf Wetterextreme wie Dürren, Hitzewellen oder Starkregen. Das Ergebnis zeigt, dass extreme Regenfälle wie im letzten Sommer durch den Klimawandel wahrscheinlicher und intensiver werden.

In einer sich weiter erwärmenden Welt muss man also häufiger mit derartigen Ereignissen rechnen. Pro Grad Erwärmung kann die Luft nämlich sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Warme Luft allein reicht jedoch noch nicht aus. Für Starkregen muss diese Luft durch beispielsweise ein Tief angehoben werden.

In den vergangenen 60 Jahren zeigte sich bereits eine Zunahme der Wetterlage "Tief Mitteleuropa" um etwa 20 Prozent. Dennoch bleibt eine differenzierte Betrachtungsweise wichtig. Dass der Klimawandel bei solchen Ereignissen seine Finger mit im Spiel hat, steht außer Frage.

War der Starkregen vorhersagbar?

Dass es viel regnete, war nicht überraschend. Die Niederschlagsmengen von 100 bis 200 Liter Regen pro Quadratmeter und das Gebiet waren Tage vorher sehr gut vorhergesagt. Aber dass die Ausmaße so folgenreich waren, hätte niemand erwartet.

Die vorhergesagten Regensummen für den 14. und 15. Juli 2021.Die vorhergesagten Regensummen für den 14. und 15. Juli 2021.

Im Gegensatz zu kleinräumigen Gewittern mit lokalem Starkregen zog bei Tief BERND ein großflächiges Starkregengebiet über den Westen Deutschlands hinweg. Diese sind in der Regel sehr gut vorherzusagen und die Vorwarnzeit ist entsprechend lang. Die Höhe der zu erwartenden Flutwelle ist aber von vielen weiteren Faktoren wie Geländebeschaffenheit, Bodenfeuchte und Flussverlauf abhängig und daher deutlich schwerer zu prognostizieren.

Diese Faktoren sind entscheidend

Zusätzlich zu der Wetterlage haben weitere Faktoren das Auftreten des historischen Hochwassers beeinflusst. In begradigten und kanalisierten Bächen und Flüssen fließt das Wasser viel schneller ab und stromabwärts steigt die Überschwemmungsgefahr. Zudem werden immer mehr Flächen versiegelt.

Wasser, das nicht im Boden versickern oder sich über Auenflächen ausbreiten kann, schwillt zu einer oberirdischen Flut an, die sich dann durch asphaltierte Straßen ihren Weg bahnt. Genau dieser Faktor hat im Ahrtal wohl zu der historischen Flut geführt. Bereits am Tag vor der verheerenden Katastrophe am 14. Juli gab es in dem betroffenen Gebiet schon ergiebige Niederschläge, sodass die Böden ohnehin gesättigt waren und kaum weiteren Regen aufnehmen konnten.

In Erftstadt-Blessem zwischen Köln und Aachen ist eine Reihe von Häusern ganz oder teilweise in eine Kiesgrube gestürzt.In Erftstadt-Blessem zwischen Köln und Aachen ist eine Reihe von Häusern ganz oder teilweise in eine Kiesgrube gestürzt. - © dpa

Meist ist der Faktor Mensch das Zünglein an der Waage – siehe Erftstadt, wo durch Erosion Häuser in eine benachbarte Kiesgrube gespült wurden. Hier war nicht der Klimawandel der Verursacher, sondern die Selbstüberschätzung des Menschen.

Lehren aus der Katastrophe

Die korrekte Vorhersage von Wetterereignissen ist nur bei effektiver Kommunikation an die Bevölkerung eine Hilfe zur Vorbeugung von Katastrophen. Mit großer Wahrscheinlichkeit kommen auch in Zukunft weitere Extremwetterereignisse auf uns zu. Die Bevölkerung muss dafür stärker sensibilisiert und über die Folgen und Verhaltensweisen bei den einzelnen Wetterelementen aufgeklärt werden.

Dabei sollten Warnungen aus seriösen Quellen ernst genommen werden. Dies kann dabei helfen, die Opferzahlen in Zukunft deutlich zu reduzieren. Letztlich ist nicht der Klimawandel "schuld" an solchen Katastrophen. Sowohl der Eingriff des Menschen in die Natur als auch mangelhafte Vorbereitung sind in Betracht zu ziehen. Gerade bei Extremwetterlagen ist es wichtig vom extremsten und kaum vorstellbaren Fall auszugehen.

Link zu dieser Seite / Seite empfehlen
Seite per E-Mail empfehlen Mail

Das Wetter in ...