WetterOnline ( https://www.wetteronline.de )
Startseite / WetterNews / Klimawandel /

Österreich: Rekordschmelze im vergangenen Jahr - Alpenverein präsentiert Gletscherbericht

08:30
9. April 2023

"Ewiges Eis" rinnt davon
Rekordschmelze der heimischen Gletscher

© M. Mergili, S. Haselberger (PHUSICOS)

Das vergangene Jahr ist für die heimischen Gletscher das schlechteste seit Beginn der Gletschermessungen gewesen. Das einst "Ewige Eis" verlor enorm an Masse und Länge. Der Gletscherrückgang schreitet unaufhaltsam fort.

Seit 132 Jahren vermisst der Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins heimische Gletscher. Seit damals gab es noch nie einen so rasanten Gletscherrückgang wie im vergangenen Haushaltsjahr von Oktober 2021 bis September 2022. Der Alpenverein warnt: "Die Gletscher zerrinnen: Bald ist das ewige Eis in unseren Alpen Geschichte."

Knapp 90 Gletscher wurden im vergangenen Herbst von Dutzenden Freiwilligen vermessen. Alle zogen sich zurück und büßten beachtlich an Fläche und Volumen ein. In Summe verloren alle vermessene Gletscher mehr als 2 Kilometer Länge.

Im Mittel wurden die Gletscher um 28,7 Meter kürzer. Verglichen mit dem mittleren Rückzug zum Vorjahr von 11 Metern ist dies ein enormer Anstieg und bedeute "Alarmstufe Rot". Selbst der bisherige Rekordwert von 25,2 Meter Rückgang aus dem Messjahr 2016/2017 wurde um 3,5 Meter überboten.

Schon gewusst?

Die Massenbilanz eines Gletschers ist die Differenz zwischen Massengewinn (Akkumulation) und Massenverlust (Ablation). Sie wird nicht in Kalenderjahren bestimmt, sondern in hydrologischen Jahren. Diese beginnen jeweils am 1. Oktober und enden am 30. September im darauffolgenden Jahr.

Der im Zeitraffer von Juli 2020 bis Oktober 2022 oben zu sehende Gepatschferner in den Ötztaler Alpen verlor im vergangenen Jahr ganze 78 Meter an Länge. Er ist nach der Pasterze am Fuße des Großglockners der zweitgrößte Gletscher in Österreich.

Knapp 90 Meter Längenverlust

Der größte Verlust an Länge wurde von ehrenamtlichen Alpenvereins-Gletschermessern in den Hohen Tauern dokumentiert. Das Schlatenkees in der Venedigergruppe zog sich um 89,5 Meter zurück. Im Jahr zuvor waren es dort 54,5 Meter.

Pasterze am 06. Oktober 2022Unterhalb der Pasterze hat sich mittlerweile ein großer Gletscherrandsee gebildet, wie die Aufnahme vom 06. Oktober 2022 zeigt. - © panomax.com

Auch auf Österreichs bekanntestem Gletscher, der Pasterze, schmilzt das Eis unaufhaltsam davon. Der Längenverlust betrug dort 87,4 Meter. Allein im Bereich der Gletscherzunge verlor der Gletscher ein Volumen von 14,7 Millionen Kubikmeter Eis. Das entspricht einem Würfel mit einer Seitenlänge von 245 Metern. Als Vergleich dazu: Der Donauturm in Wien ist 252 Meter hoch.

Gletschermessung eingestellt

Nach beinahe 100 Jahren der Gletschermessung am Bieltalferner in der Silvretta musste die Messung im vergangenen Jahr dort eingestellt werden, nachdem der Gletscher in mehrere Teile zerfiel. Mit dem Verschwinden der Gletscher hat sich alleine in dieser Gebirgsgruppe die Zahl der zu untersuchenden Gletscher von zwölf um 1980 auf derzeit sechs Gletscher reduziert.

Gletscherskigebiet muss schließen

Der Skibetrieb am Dachsteingletscher wurde endgültig eingestellt. Der Schneemangel der vergangenen Jahre setzte dem Gletscher zu. Die Liftanlagen werden derzeit abgebaut.

Österreich möglicherweise um 2075 gletscherfrei

Das für die Gletscher schlechte Jahr ist laut Andreas Kellerer-Pirklbauer, der neben seiner Tätigkeit als Wissenschaftler am Institut für Geografie und Raumforschung an der Uni Graz auch Gletschervermessungen durchführt, auf die Witterungsbedingungen zurückzuführen. Die untersuchte Periode war um 1,4 Grad wärmer als im langjährigen Mittel der vergangenen 30 Jahre. Zudem gab es gut 12 Prozent weniger Niederschlag als im klimatologischen Mittel.

Kellerer-Pirklbauer wagt eine vorsichtige Prognose in die Zukunft: "Geht die Entgletscherung so weiter, dann könnte Österreich um das Jahr 2075 weitgehend gletscherfrei sein." Derzeit leben die Gletscher nämlich nur mehr von den Eisreserven der Vergangenheit.

Marine "Hitzewellen" intensiverLesen Sie auch
Link zu dieser Seite / Seite empfehlen
Seite per E-Mail empfehlen Mail

Das Wetter in ...