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Klimawandel im Turbomodus - Schürt Tonga-Eruption die Erderwärmung?

08:15
28. November 2023

Stärkere Erderwärmung
Vulkanausbruch mit Klimafolgen

Am 15. Jänner 2022 ist der Unterseevulkan Honga-Hunga Ha'apai explodiert. Er schleuderte gigantische Mengen an Wasserdampf in die Atmosphäre. Forscher vermuten Folgen für unser Klima.

Die stärkste Vulkaneruption der jüngeren Geschichte hat beim Ausbruch des Tonga-Vulkans Anfang letzten Jahres fast 150 Millionen Tonnen Wasserdampf in die Stratosphäre katapultiert. Im Video zeigen wir mögliche Folgen für unser Klima.

Wasserdampf als potentes Treibhausgas

Der Wasserdampfeintrag entspricht mehr als 10 Prozent des “normalen” Wasserdampfgehaltes dieser in rund 20 bis 50 Kilometern Höhe gelegenen Atmosphärenschicht. Normalerweise ist die Stratosphäre ein austauscharmer und sehr trockener Ort, dem nur über sehr hochreichende Gewitter regelmäßig etwas Wasserdampf zugeführt wird.

Nach dem gigantischen Wasserdampfeintrag durch die Tonga-Eruption dürfte es daher Jahre dauern, bis sich der Wasserdampfgehalt dort wieder normalisiert.

Eruptionssäule aus dem AllDie Eruptionssäule der Tonga-Eruption aus dem All: Sie erreichte eine maximale Höhe von fast 60 Kilometern und katapultierte Millionen Tonnen des hochpotenten Treibhausgases Wasserdampf in die Stratosphäre.

Wasserdampf ist das mit Abstand wichtigste Treibhausgas der Erde, noch vor dem zwar wirksameren, aber in wesentlich geringerer Konzentration beteiligten CO2. Forscher haben daher bereits im Sommer letzten Jahres darauf hingewiesen, dass infolge der Eruption möglicherweise ein Anstieg der globalen Temperaturen zu erwarten sei.

Denn anders als bei "normalen" Eruptionen sind bei diesem Ausbruch kaum kühlende Aerosole wie etwa Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre gelangt, die das einfallende Sonnenlicht dämpfen könnten. Stattdessen bewirkt der Eintrag von Wasserdampfgas den gegenteiligen Effekt: Die Temperaturen steigen an.

Beeinflusst Erwärmung auch den Polarwirbel?

Wie stark sich die Wasserdampf-Injektion des Tonga-Vulkans in der Stratosphäre zeigt, verdeutlicht die nachfolgende Grafik für die äquatornahen Gebiete der Erde zwischen 45 Grad südlicher und 45 Grad nördlicher Breite:

Wasserdampfgehalt StratosphäreDie Graphik zeigt den Wasserdampfgehalt in etwa 30 Kilometern Höhe. Die Anfang 2022 beginnende Ausbreitung dunkelgrüner Farben markiert den Wasserdampfeintrag der Tonga-Eruption. - © gsfc.nasa,gov

Mittlerweile hat sich dieser Wasserdampf weiter bis in die Polarregionen der Erde verteilt, wo seine Erwärmungseffekte womöglich sogar Einfluss auf den Polarwirbel nehmen könnten. Ob und wie sich das auf die Witterungsentwicklung im Winter auswirken wird, ist wegen der Einmaligkeit des Ereignisses jedoch noch völlig offen.

Auch lässt sich bislang nicht beziffern, wie groß der Anteil des Wasserdampfs der Tonga-Eruption an der seit diesem Jahr weltweit zu beobachtenden Beschleunigung und Verstärkung der globalen Erwärmung ist. Die Besonderheiten dieser Eruption sind schlicht noch wissenschaftliches Neuland, es fehlt an Erfahrungswerten.

Immerhin kommen Wissenschaftler der University of Oxford in einer Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift "Nature Climate Change "veröffentlichten Studie zu dem Schluss, dass sich durch die Eruption die Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung der 1,5-Grad-Marke bei der Klimaerwärmung um sieben Prozent erhöht habe.

Erderwärmung im Turbogang

So werden seit Monaten nahezu weltweit immer wieder Rekordtemperaturen gemessen, die oft weit über den zuvor registrierten Spitzenwerten liegen. Davon betroffen waren Regionen aller Kontinente, ohne dass Gebiete mit wechselhafterem und kühlerem Wetter diesen "Wärmeüberschuss" unterm Strich hätten ausgleichen können.

TemperaturRadar weltweitUnser TemperaturRadar gibt immer einen Überblick über die aktuellen Temperaturen - weltweit.

Dabei treiben die über immer längere Zeiträume hinweg beobachteten und teils extremen Wärmespitzen nicht nur die mittlere Lufttemperatur, sondern auch die Oberflächentemperaturen vieler Meeresgebiete auf zuvor noch nie gemessene Werte. Forscher haben dieses Phänomen auf den Namen "Blob" getauft und sprechen aufgrund der außergewöhnlichen Messdaten sogar von "marinen Hitzewellen".

Auch El Niño mischt bei der Erwärmung mit

Es liegt allerdings nahe, dass auch das derzeit wieder etablierte Wetterphänomen El Niño einen deutlichen Anteil an der so ungewöhnlichen Entwicklung hat. So treibt die Wetteranomalie über dem tropischen Pazifik seit Monaten warmes Ozeanwasser gegen die Westküste Südamerikas, ein Zustand, der voraussichtlich auch im kommenden Winter noch anhalten wird.

Das alle zwei bis sieben Jahre wiederkehrende Wetterphänomen kehrt Meeresströmungen und Windsysteme im tropischen Pazifik um, wodurch regionale Hitzewellen und verheerende Dürreperioden, aber auch Stürme, katastrophale Regenfälle und Überflutungen ausgelöst werden. Weniger ausgeprägt sind die Auswirkungen von El Niño abseits der Pazifik-Region.

Schon gewusst?

Von El Niño spricht man dann, wenn das Oberflächenwasser im zentralen Pazifik für drei aufeinanderfolgende Monate im Durchschnitt 0,5°C über dem langjährigen Mittel liegt.

Wechselwirkungen zwischen El Niño und dem aktuell zu beobachtenden Klimawandel gelten als wahrscheinlich, sind jedoch noch Gegenstand der Forschung. Ebenso auch die Frage, ob und inwieweit das Wetterphänomen indirekt auch die wetterlenkenden Windsysteme in Europa beeinflussen kann.

Ein weiterer Aspekt für das unerwartete Temperatur-Plus könnte sich aber auch hinter besonders staubarmer Luft über den äquatorialen Meeresregionen verbergen. So ist in diesem Jahr wegen schwacher Passatwinde deutlich weniger Saharastaub in die Atmosphäre gelangt als im Mittel der Jahre. Daher ist die Luft klarer und für Sonnenstrahlung durchlässiger geworden.

Zusammenspiel vieler Faktoren

Hinzu kommen besonders stabile und ortsfeste Hochdruckgebiete, die in den vergangenen Monaten ungewöhnlich lang andauernde Hitzewellen zur Folge hatten und so auch über weiten Meeresflächen zu einem deutlichen Einstrahlungsplus führten.

SaharastaubAus dem All ist ein typischer Vorstoß von Saharastaub über die Kanaren, die Azoren und den östlichen Atlantik zu erkennen. - © NASA / MODIS

Letztlich ist es wohl das zufällige, aber perfekte Zusammenspiel solcher stabilen Hochs, verminderter Wüstenstaubtrübung, El Niños, der Tonga-Eruption und womöglich weiterer, bisher unterschätzter Faktoren, welche die so dramatische Beschleunigung der Erderwärmung bewirken.

Die Wärmekurven all dieser Phänomene überlagern und addieren sich gegenseitig und schalten den Klimawandel so vorübergehend in den Turbo-Gang.

Tonga-Eruption bisher beispiellos

El Niño wird wieder abflauen und die Wasserdampfinjektion des Vulkanausbruchs in der Stratosphäre wird sich nach und nach verflüchtigen. Auch die stabilen Hochdruckgebiete werden ihre Positionen verschieben und Wind wieder mehr Wüstenstaub in die Atmosphäre wirbeln als zuletzt.

Damit fallen diese klimarelevanten Faktoren zumindest in absehbarer Zeit wieder weg und die Karten werden neu gemischt. So wird sich im Nachgang wenigstens annähernd bestimmen lassen, wie groß der Anteil der einzelnen Faktoren an der gegenwärtigen Fieberkurve unseres Planeten tatsächlich war.

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Was bleibt, ist der weiter fortschreitende Klimawandel, wenn auch wieder auf etwas moderaterem Niveau als zurzeit. Und auch die Ungewissheit bleibt, wann und wie sich der nächste große Ausbruch eines Vulkans in das Klimageschehen einmischt und ob und wie wir uns darauf vorbereiten können.

Dieser Bericht beruht unter anderem auf folgenden Veröffentlichungen:

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