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Unwetter im Rückblick

Samstag, 03.01.1976

Jahrhundertflut im Nordwesten

Orkantief CAPELLA wütet

Orkan CAPELLA hat am 3. Januar 1976 eine Jahrhundertflut an der deutschen Nordseeküste sowie an Weser und Elbe ausgelöst. Dabei starben 82 Menschen. Teilweise wurden die Extremwerte der großen Flut von 1962 deutlich überschritten.

Am stärksten von den Überflutungen sind die Moorgebiete im Kehdinger Land an der Niederelbe betroffen. In Drochtersen bei Stade reißt die Sturmflut die Deichkronen weg und strömt weit ins Binnenland. Bild: dpa

Am frühen Morgen erreichte Sturmtief CAPELLA die Deutsche Bucht. Mit bis zu 150 Kilometer pro Stunde peitschte CAPELLA das Wasser der Nordsee an die Küste. Im Zusammenspiel mit einer Springtide entstand die höchste Sturmflut an der deutschen Nordseeküste seit Beginn der Messungen. Bis zu 17 Meter hoch schlugen die Wellen an die Deiche. Mit Macht drückte der Wind das Wasser in die Elbmündung und erreichte fast die Deichkrone. In Hamburg stieg das Wasser sogar höher als je zuvor.

Mit dem Traktor werden Evakuierte der Haseldorfer Marsch (Kreis Pinneberg) ins Trockene gefahren. Dort auf der nördlichen Elbseite bricht bei Wedel der Deich an neun Stellen. Mehr als 100.000 Hektar werden überflutet. Bild: dpa

In weniger als drei Stunden legte die Flutwelle die Strecke von Cuxhaven nach Hamburg zurück und stieg dabei noch einmal um mehr als einen Meter. Als das Wasser Hamburg erreichte, zeigte der Pegel St. Pauli 6,45 Meter an - bis heute der höchste je gemessene Stand. Bei der Sturmflut von 1962 waren es 5,70 Meter gewesen. Nach dieser Flut waren die Deiche erneuert und erhöht worden, sodass bei der CAPELLA-Flut diesmal niemand ums Leben kam. Es entstand dennoch ein volkswirtschaftlicher Schaden von 870 Millionen DM.

Blick auf ein von den Wassermassen eingeschlossenes Gehöft im Moorgebiet des Kehdinger Landes, das von den Überflutungen an der Niederelbe am schlimmsten betroffen ist. Bild: dpa

In den ungeschützten, vor den Deichen gelegenen Hafengebieten wurden ganze Lagerbestände mit Gütern sowie teure Maschinen zerstört und Betriebe überschwemmt. Auf der Nordsee nahe der Ostfriesischen Inseln ging das DDR-Küstenmotorschiff "Capella" aus Rostock unter, elf Menschen der Besatzung starben. An der Niederelbe hielten die teilweise 100 Jahre alten Deiche der Gewalt des Wassers nicht stand. Noch Wochen später waren die tief liegenden Gebiete überflutet. Viele Gehöfte waren zeitweise nur aus der Luft oder mit Booten zu erreichen.

Die Fluten zerstörten 150 Bauernhöfe, Hunderte Nutztiere ertranken. Der Hindenburgdamm, der Sylt mit dem Festland verbindet, wurde stark beschädigt. 17 Menschen starben in Deutschland durch umstürzende Bäume oder umherfliegende Trümmerteile. Mehr als 50 Todesopfer meldeten die Niederlande, Belgien, Dänemark und Großbritannien. Der Sturm fegte im niederländischen Leeuwarden die Turmspitze einer Kirche weg, in Amstelveen das gesamte Kirchdach.

Auch in Nordrhein-Westfalen verursacht der Orkan schwere Schäden. Eine mächtige Buche zerstört dieses Wohnhaus. Bild: dpa

An der Nordseeküste drückte der Sturm zahlreiche Fensterscheiben ein und entwurzelte etliche Bäume. Dabei standen küstennahe Gebiete nach Deichschäden unter Wasser. Die enorme Wucht des Orkans führte zu einer zuvor noch nicht beobachteten Tideanomalie. Das Ausmaß der Springflut war jedoch im Vorfeld auch von den Wetterdiensten nicht erkannt worden.

(WO/dpa)

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